Die Champions beim Bundesfinale 2012 in Kaltenkirchen heißen Meng Li und Marten Stange
Drei Tage lang waren in Kaltenkirchen, 35 Kilometer nördlich von Hamburg gelegen, die Bolls von morgen das Hauptgesprächsthema. Das Bundesfinale der mini-Meisterschaften 2012 stand auf dem Programm.
Die erst acht Jahre alte Meng Li aus Bingen in Rheinland-Pfalz, Tochter einer Zweitligaspielerin der TTG Bingen / Münster-Sarmsheim, siegte bei den Mädchen.
Bei den Jungs wandelte der elfjährige Hanseat Marten Stange – trotz einer Niederlage im Auftakt-Match – auf den Spuren des 22 Jahre zuvor bei den minis erfolgreichen Bastian Steger und stand am Ende ganz oben auf dem Siegertreppchen.
Die mini-Meisterschaften sind eine alljährliche, für Kinder im Alter von maximal zwölf Jahren entwickelte Breitensportaktion gigantischen Ausmaßes. Längst sind sie aus dem Jahreskalender der wichtigsten Tischtennis-Events nicht mehr wegzudenken. Die Mädchen oder Jungs dürfen – dies ist die zentrale Voraussetzung, um dabei sein zu können – noch nicht am offiziellen Spielbetrieb, also weder an Meisterschaftsspielen noch Turnieren teilgenommen haben. Die mini-Meisterschaften sind fraglos zur Erfolgsstory geworden. Insgesamt haben seit 1983 bereits mehr als eine Million Kids teilgenommen.
Wer je eine solche Veranstaltung live miterlebt hat, weiß, dass es sich hier nicht bloß um ein Turnier für talentierte Kids handelt, sondern ein magisches Event der Superlative mit unendlich tiefen Emotionen. Aufgeregte Eltern, hektische Kinder, die um jeden Preis zeigen wollen, was alles in ihnen steckt, himmelhochjauchzender Jubel wie auch bittere Tränen gehören einfach dazu. Aber immer auch reichlich Fun und ausgelassene Freude.
Und es sind stets einige kleine Koryphäen, oft noch ungeschliffene Rohdiamanten, unter den sechs- bis zwölfjährigen – in Kaltenkirchen sieben- bis elfjährigen – Mädchen und Jungs, von denen man noch hören wird. Nicht jede oder jeder wird eine Musterkarriere im schnellsten Rückschlagsport durchlaufen wie Bastian Steger, der im Frühjahr 1990 beim Bundesfinale in Gundelsheim als neunjähriger Knirps ganz oben auf dem Siegertreppchen stand und später zum Weltklassespieler wurde.
Das spannende ist aber, dass wir heute nicht einmal ahnen können, wer von den 40 Kids, die in Kaltenkirchen so viel Leidenschaft zeigten, in zehn oder 15 Jahren vielleicht in aller Munde sein wird – Talent und gute Anlagen alleine reichen nicht. Dazu gehört auch Cleverness und Durchhaltevermögen sowie die Fähigkeit, sich in kritischen Situationen durchzubeißen. Zudem benötigt man die innere Bereitschaft, Opfer zu bringen und auf viel Freizeit zu verzichten, um auf das große Ziel, einmal ein Topspieler zu werden, gezielt hinzuarbeiten.
Wer von den 20 Mädchen, die in knallgelben Trikots der Firma TSP – zusammen mit ARAG Sponsor des Events – „Eyecatcher“ des Turniers waren, hat das Zeug dazu, einmal in die Fußstapfen einer Tanja Krämer, Laura Stumper oder Nadine Bollmeier zu treten, deren Karrieren allesamt ihren Ausgangspunkt in sehenswerten Auftritten bei mini-Meisterschaften hatten? Und wer von den 20 Jungs in den dunkelblauen T-Shirts könnte einmal in den Regionen landen, in denen ein „Basti“ Steger glänzt, oder auch ein Lars Hielscher, wenngleich es für den Ex-Nationalspieler und Bundesligaprofi von Ruhrstadt Herne bei den minis nicht zum Sieg gereicht hat?
Vielleicht werden wir noch eine Menge hören von dem 11-jährigen Hamburger Marten Stange, der in Kaltenkirchen fast ein Heimspiel hatte, und der gerade achtjährigen Meng Li aus Bingen, die am Ende triumphierten. Immerhin hatten die beiden einen richtigen Auswahlmarathon bei der größten Nachwuchswerbeaktion im deutschen Sport überhaupt zu überstehen, um erst einmal unter den TOP 20 ihres Geschlechts zu landen und am Ende sogar zur Nummer eins Deutschlands zu avancieren. Ursprünglich waren nämlich nicht weniger als 30.000 Kids zwischen sechs und zwölf Jahren beteiligt, von denen sich nur die Allerbesten über Orts-, Kreis-,Bezirks- und Landesentscheide für den großen Showdown qualifizieren konnten.
Jeder will natürlich am Ende ganz oben stehen und den Siegespokal in Händen halten, doch es handelt sich längst nicht um eine freudlose Eliteschau „hochgezüchteter“ Jungstars und -sternchen mit von Ehrgeiz zerfressenen Eltern im Hintergrund, sondern um eine Veranstaltung, bei der die Faktoren Spaß und Miteinander traditionell eine ganz wichtige Rolle spielen. Deshalb tüfteln der veranstaltende Deutsche Tischtennis-Bund und die Durchführer vor Ort Jahr für Jahr ein abwechslungsreiches, unterhaltsames Rahmenprogramm für die Kids, ihre Eltern und Geschwister aus, bei dem Tränen ausdrücklich erwünscht sind – Freudentränen nämlich. Besuch der Holsten-Therme, Show-Cooking, die Fun-Arena sowie ein eigens komponierter mini-Meisterschaften-Song standen unter anderem auf dem Programm der tollen Tage von Kaltenkirchen.
Siegerin Meng Li, immerhin Tochter der Bingener Zweitligaspielerin Zhang Ying, also schon familiär bedingt absolut vom Fach, gab am Sonntag nach verwandeltem Matchball zum 3:1-Erfolg im Finale gegen Sina Pape (Bad Driburg) und dem obligatorischen Siegesjubel zu Protokoll, ihr eigenes Spielsystem fast schon professionell analysierend: „Ich habe wieder viel geschupft, denn damit fühle ich mich sicher. Wenn aber mal ein zu hoher Ball mit wenig Schnitt kam, habe ich auch mal draufgehauen.“ Ein bisschen nervös war die Achtjährige vor ihrem großen Auftritt aber schon: „Vor dem Finale war mir schon ein wenig schlecht. Das wird mir immer, wenn ich aufgeregt bin. Aber spielen konnte ich ja zum Glück trotzdem.“ Die talentierte junge Dame, die während des gesamten Finalturniers ungeschlagen blieb, wusste auch schon genau, was mit dem Siegespokal zu geschehen hat: „Wir haben im Wohnzimmer einen Schrank, wo auch schon alle Pokale von Mama und Papa drin stehen. Da kommt auch meiner rein.“ Meng war rundum begeistert: „Es war ein tolles Wochenende. Ich habe viele neue Freunde kennengelernt.“
Dass Marten Stange aus dem Hamburger Stadtteil Sasel am Ende ganz oben stehen würde, schien anfangs wenig wahrscheinlich. Der blonde Hanseat startete nämlich mit einer Niederlage in den Wettbewerb. Doch das 2:3 gegen Tom Kappes aus Mülheim steckte der Elfjährige gut weg und strahlte dann von Match zu Match mehr Sicherheit aus: „Gegen ihn kamen meine Bälle einfach noch nicht so gut, Tom hat aber einfach auch gut gespielt, sonst wäre er ja auch nicht Dritter geworden“, lautete Martens fachmännische Bewertung nach erfolgreichem Job. Der frischgebackene mini-Champion hat eine ganz wichtige Waffe vorzuweisen, nämlich seinen bereits extrem harten Vorhand-Topspin: „Das ist mein stärkster Ball. Am Rückhand-Topspin muss ich aber noch arbeiten. Der muss noch druckvoller werden.“ Dabei war letzterer gar nicht nötig, um sich im Endspiel glatt gegen Justin Eigner aus Gütersloh zu behaupten, die Vorhand klappte wie am Schnürchen und brachte seinen Kontrahenten schier zur Verzweiflung. Der Sieger gestand später ein: „Wir waren vor dem Spiel beide sehr aufgeregt. Aber ich glaube, dass er noch ein Stück nervöser war, sonst hätte ich bestimmt nicht 3:0 gegen ihn gewonnen.“