Die Japan Open in Kobe waren das Turnier der Asiatinnen, am Ende stand mit Shen Yanfei jedoch eine Spielerin mit spanischem Pass ganz oben auf dem Siegertreppchen. In der Runde der besten Sechzehn hatte sich mit Defensivstrategin Viktoria Pavlovich (Weißrussland) die letzte in Europa geborene Akteurin verabschiedet. Mit der ebenfalls im Achtelfinale ausgeschiedenen Holländerin Li Jiao, künftige Spielerin des TTSV Saarlouis-Fraulautern, war bis dahin wenigstens noch eine weitere Europäerin vertreten, deren Wurzeln allerdings auch im Reich der Mitte liegen. Bei Abwesenheit der Chinesinnen dominierten in Kobe die Damen aus Japan, Singapur und Südkorea sowie eben Shen Yanfei, die in einem sehenswerten Finale die routinierte Abwehrkünstlerin Kim Kyung Ah alt aussehen ließ. Allerdings ging es gerade in der zweiten Hälfte des Matchs knapper zu als es das Satzergebnis von 4:1 vermuten lässt: Das 5:11, 11:4, 11:8, 14:12 und 17:15 aus Sicht der siegreichen Spanierin dokumentiert, dass die Koreanerin (Weltranglistenplatz 11) alles andere als chancenlos war.
Shen Yanfei hatte sich im Halbfinale nach 1:3-Satzrückstand in sieben spannenden Durchgängen gegen Japans Tischtennis-Idol Ai Fukuhara, aktuelle Nummer acht der Welt, durchgesetzt. Noch einen Tick knapper war es im Viertelfinale am Samstag zugegangen, in dem die nervenstarke Shen – nach „vergeigter“ 3:0-Satzführung – doch noch die Oberhand über die Südkoreanerin Yang Ha Eun (Juni-Weltrangliste: 18.) behalten hatte (11:5, 14:12, 11:9, 4:11, 9:11, 9:11, 11:9). In der Runde zuvor hatte die Ibero-Chinesin mit der Ex-Kroppacherin Wang Yue Gu auch nicht gerade ein sportliches Fliegengewicht aus dem Turnier befördert. Immerhin ist Wang, die mit 2:4 unterlag, die Nummer eins Singapurs und Nummer sieben des Weltklassements.
Shen Yanfei ist aktuell die Nummer 27 der Welt und besitzt nun gute Chancen, im Juli-Ranking der ITTF unter die TOP 20 vorzustoßen. Zuletzt stand sie zwischen Januar und August 2011 in diesen Regionen.
Shen wird allgemein gerne etwas unterschätzt. Dies liegt daran, dass die Linkshänderin keine „Schönspielerin“ ist und man recht selten attraktive Ball-Rallyes zu sehen bekommt, wenn sie am Tisch steht. Zudem ist sie nicht die klassische Fighterin, die sich mit geballter Faust von Punkt zu Punkt puscht. Oft wirkt sie eher unbeteiligt. Aber das täuscht. Eine leichte Tendenz zum Übergewicht ist unübersehbar, doch sie spielt ungemein effektiv und unangenehm. Mit „Händchen“ und Ballgefühl platziert sie äußerst gekonnt und streut clever Störbälle ein, was manche Gegnerin schier zur Verzweiflung bringt. Gecoacht wird sie auf allen wichtigen Turnieren vom früheren deutschen Nationalspieler Peter Engel, der seit Jahren als spanischer Damen-Cheftrainer großartige Aufbauarbeit leistet und das Nationalteam von der iberischen Halbinsel längst unter die europäische Elite geführt hat.
In Kobe durfte allerdings auch Gastgeber Japan zweifaches Damen-Gold in Empfang nehmen. So setzten sich Hiroko Fujii / Misako Wakamiya im Endspiel des Damen-Doppels gegen die Koreanerinnen Dang Yeseo und Seok Hayung klar mit 4:0 durch. Und der Titel im U 21-Wettbewerb ging mit Kasumi Ishikawa an die größte Hoffnungsträgerin aus dem Land der aufgehenden Sonne. Ishikawa – im Damen-Welt-Ranking immerhin bereits die Nummer fünf hinter den vier führenden Chinesinnen Ding Nin, Liu Shiwen, Li Xiaoxia und Guo Yan – machte im Finale kurzen Prozess mit der Hongkong-Chinesin Lee Ho Ching. Ob dieser Erfolg die junge Japanerin über ihr unerwartetes Ausscheiden bereits im Achtelfinale des „großen“ Wettbewerbs nach einem 2:4 gegen Singapurs Nummer fünf Yu Mengyu hinwegtröstete, sei dahingestellt.