Der Sportdirektor (Cheftrainer und Manager) des European Superleague Finalisten STK Starr Varazdin wurde kürzlich von der kroatischen Tages- und Wochenzeitung „Regionalni“ interviewt und gab interessante Einblicke in seine Arbeit als Trainer in Kroatien.
Das kroatische Spitzenteam ist bereits die zweite Station von Matthias Landfried im Heimatland von Zoran Primorac, Tamara Boros, Ronald Redjep, Andrej Gacina & Co.
Nach 10 Jahren in der deutschen Herren-Bundesliga in Bochum (TTG Munscheid), Würzburg und Saarbrücken, zog es den 42-jährigen aus dem Stuttgarter Vorort Wendlingen 2012 erstmalig nach Kroatien. Er wurde damals vom Hauptstadtclub STK Dr. Casl Zagreb als Cheftrainer verpflichtet – bereits seine dritte Station in der European Champions League. Am Ende gelang der historische Doppeltriumph, denn erstmalig konnte ein Verein in der kroatischen und jugoslawischen Geschichte sowohl bei den Damen, als auch bei den Herren, gleichzeitig nationaler Meister werden.
Danach kehrte Matthias Landfried noch einmal zwei Jahre in die deutsche TTBL / 1. Bundesliga zurück, ehe er ab der Saison 2015/2016 vom aufstrebenden kroatischen Club STK Starr Varazdin unter Vertrag genommen wurde.
Als Aufsteiger gelang dem Team direkt die Qualifikation für die Playoffs in der HEP Croatia Superliga und am Ende sprang Platz 3 raus. Im der Saison 2016/2017 steigerte sich die Mannschaft weiter und erreichte sogar das Finale um die kroatische Meisterschaft. In einem packenden Finale und der knappsten Entscheidung aller Zeiten, unterlag das Team dem Topfavoriten STK Libertas Marinkolor Dubrovnik mit 4:3, 3:4 und im Entscheidungsspiel ebenfalls mit 3:4, sogar mit Matchbällen für den Titel. Damit war und ist der STK Starr Varazdin kroatischer Vizemeister. Ähnlich knapp unterlag das Team in Finale der European Superleague. Tolle Leistungen für den jungen Verein, der vom „spielenden Präsidenten“ Ronald Redjep erst acht Jahre vorher gegründet wurde und sich seitdem Liga für Liga nach oben spielte und mittelfristig in der European Champions League spielen möchte.
In der Saison 2017/2018 soll nun der große Wurf gelingen. Mit Tan Ruiwu (CHN/CRO), Zeng Jia (CHN), Ronald Redjep (CRO), Ludvik Persolja (SLO), Frane Runjic (CRO, nur EU-Superleague), Nikola Horvat (CRO), Paralympics Goldmedaillengewinner Will Bayley (ENG), Leon Santek (CRO) und Dario Kraljic (CRO) ist das klar formulierte Ziel, kroatischer Meister zu werden.
Nach Meisterschaft in der TTBL, Deutschem Meistertitel und Deutschem Pokalsieg, geht Matthias Landfried nun also erneut in Kroatien auf Titeljagd. Der Club ist auch international vertreten und tritt sowohl im ETTU-Cup an, wo der STK Starr Varazdin als eines der besten Teams direkt in Runde 3 gesetzt wurde, als auch in der European Superleague. Hier ist das Team aus dem Norden Kroatiens (Dreiländereck Kroatien, Slowenien, Ungarn) sogar topgesetzt, möchte aber diesen Wettbewerb in der aktuellen Saison hauptsächlich dafür nutzen, den jungen Talenten Spielpraxis gegen internationale Konkurrenz zu bieten.
Nachfolgend veröffentlichen wir die deutsche Übersetzung des Interviews des kroatischen Magazins „Regionalni“ mit Matthias Landfried.
Kannst du uns einige Sätze über das Auswärtsspiel gegen Osijek sagen?
Spiele gegen STK Vodovod Osijek sind nie einfach. Nach 3-4 Stunden Anreise, muss man gegen die Mannschaft rund um Vjekoslav Zovko immer konzentriert bleiben. Natürlich wollen wir auch unseren jungen Spielern so viele Einsätze wie möglich geben, was wir auch zum Beispiel gegen den STK Split gemacht haben, aber gegen Osijek als direkten Konkurrenten um die Playoff-Plätze mussten wir vorsichtig sein. Deshalb traten wir mit unserem chinesischen Spitzenspieler Zeng Jia an, den wir aus taktischen Gründen an Position 2 aufstellten, damit er direkt gegen Osijeks Nummer 1 Zovko spielt. Zeng Jia gewann sein Spiel ebenso souverän wie unser „spielender Präsident“ Ronald Redjep, so dass wir schnell mit 2:0 in Führung gingen. Nikola Horvat hatte dieses Mal ein bisschen Pech und konnte eine 2:1 Führung nicht ins Ziel bringen und verlor knapp mit 2:3. Obwohl wir oft mit drei Linkshändern spielen, haben wir immer starke Doppel, so dass wir durch diesen Sieg mit 3:1 in Führung gingen. Ronald Redjep beendete dann das Spiel mit einem 3:1 Sieg gegen Zovko, so dass wir insgesamt 4:1 gewinnen konnten.
Viele Linkshänder sind scheinbar typisch für Varazdin?
Haha, das stimmt. Es gibt wahrscheinlich keinen Proficlub in Europa, der so viele Linkshänder hat, wie wir. Tan Ruiwu, Zeng Jia, Ronald Redjep, Nikola Horvat, Leon Santek. Zu unserer Trainingsgruppe gehört auch Borna Kovac, der – natürlich – ebenfalls Linkshänder ist. Die Rechtshänder in unserem Team, Ludvik Persolja, Dario Kraljic und Paralympics-Sieger Will Bayley, sind eindeutig in der Minderheit.
Wie bist du mit dem bisherigen Saisonverlauf zufrieden?
Sportlich läuft bei uns alles nach Plan. Wir sind in vier Wettbewerben aktiv, der kroatischen 1. Liga, dem kroatischen Pokalwettbewerb, dem europäischen ETTU-Cup und der European Superleague. Das sind insgesamt sehr viele Spiele und eine hohe Anzahl an Reisen, deshalb benötigen wir einen so großen Spielerkader. Dazu kommt noch, dass wir unsere Verantwortung für eine nachhaltige Jugendförderung sehr ernst nehmen, nicht nur mit dem Betrieb des Regional Centers in Varazdin, sondern auch der Möglichkeit, unseren jungen Talenten regelmäßig Einsätze in unserem Team zu geben, damit sie Spielpraxis gegen starke Gegner sammeln können. Natürlich können wir nicht das Erreichen der Playoffs riskieren, aber wo es möglich ist, bekommen unsere jungen Spieler Einsätze. Aktuell belegen wir in der kroatischen Liga den zweiten Platz, 1 Punkt hinter STK Libertas Marinkolor Dubrovnik.
Was sind die Ziele für diese Saison?
Ohne Zweifel, wollen wir diese Saison kroatischer Meister werden. Ich denke, wenn wir in den Playoffs mit Tan Ruiwu und Zeng Jia spielen können, dann haben wir auch sehr gute Chancen. In allen anderen Wettbewerben müssen wir abwägen, ob wir auf dieses jeweilige Event in der aktuellen Saison Schwerpunkt legen oder nicht, außerdem wie sich die Sponsorensituation während der Saison entwickelt und wie die Unterstützung der Stadt Varazdin für unsere Aktivitäten aussehen wird, wo es definitiv Gesprächsbedarf gibt.
Wie sieht der weitere Zeitplan bis Ende des Jahres aus?
Wir haben in der kroatischen Liga bis Weihnachten noch drei Spiele, in der European Superleague spielen wir noch gegen die Mannschaften aus Ungarn, Tschechien und Slowenien und dann stehen wir in der 3. Runde des ETTU-Cups und treffen dort mit Hin- und Rückspiel auf El Nino Prag. Das sind dann 8 Spiele in 4 1/2 Wochen und viele Reisen. Das ist immer ein Kampf und man muss die Saison nur irgendwie überleben, da die entscheidende Phase erst im April / Mai sein wird, wenn in Kroatien und der European Superleague die Playoffs stattfinden. Bis dahin müssen Training und Regeneration gut aufeinander abgestimmt sein. Hierfür haben wir aber mit unserer Spa Terme Sveti Martin optimale Bedingungen.
Du bist jetzt die dritte Saison beim STK Starr Varazdin, wie beurteilst du die Entwicklung insgesamt?
Sportlich läuft es gut. Wir wurden im ersten Jahr als Aufsteiger direkt Dritter, im zweiten Jahr Zweiter und damit kroatischer Vizemeister und wurden auch European Superleague Finalist. In meiner Funktion als Sportdirektor, bin ich Cheftrainer und Manager des STK Starr Varazdin. Aus Trainersicht bin ich zufrieden und nachdem ich nach Möglichkeit jedes Jahr eine Steigerung sehen will, wollen wir dieses Jahr die kroatische Meisterschaft nach Varazdin holen und hoffen, dass wir keine weiteren Ausfälle durch Verletzungen haben werden. Die Zusammenarbeit im sportlichen Bereich mit meinem Trainerstab, zu dem auch Ronald Redjep und Zeng Jia gehören, ist sehr gut. Wir vereinen hier Erfahrungen aus unterschiedlichen Bereichen und sehr interessant ist auch der Beitrag durch Zeng Jias Background der chinesischen TT-Philosophie bei der Ausbildung junger Spieler. Diese chinesische Grundschule und Trainingsphilosophie, kombiniert mit unseren europäischem Wissen, angepasst auf die hiesigen Gegebenheiten, kommen vor allem unseren Spieler zu gute, die am Regional Center trainieren.
Aus Managersicht bin ich nur teilweise zufrieden. Uns gelangen einige Kooperationen und Vertragsabschlüsse, u.a. mit der Lifeclass Spa Terme Sveti Martin als Namenssponsor in der European Superleague. Aber insgesamt kommen wir zu langsam voran. Teilweise werden wir ausgebremst und warten zum Beispiel bis heute auf Fördergelder der Stadt Varazdin, aber teilweise sind wir auch nicht schnell genug, da uns Manpower fehlt und die zeitliche Belastung hoch ist. Wir sind jetzt die Nr. 23 in Europa, die besten 16 spielen Champions League, was unser Ziel ist. Wir hätten bereits mit der Verpflichtung eines Spielers die Möglichkeit gehabt, Champions League zu spielen, haben aber entschieden, langsam zu wachsen. Wir haben das bereitstehende Budget für diesen Spieler stattdessen in den Aufbau unseres Regional Centers für talentierte Jugendliche und Fördermaßnahmen im Breitensport an Grundschulen und Kindergärten investiert, außerdem in unsere Damenmannschaft, in der junge ambitionierte Nachwuchsspielerinnen zum Einsatz kommen, die jetzt in der zweithöchsten kroatischen Liga spielen. Natürlich könnten wir all diese Dinge bleiben lassen und stattdessen eine spielstarke Mannschaft für die Champions League zusammen stellen, aber ein wesentlicher Teil unserer Philosophie ist die Jugendförderung. Wir sprechen nicht nur davon, die Jugend von der Straße zu holen oder daheim von der Playstation weg zu locken, sondern wir machen dies auch aktiv. Darüber hinaus ist es auch für den Tischtennissport in Europa nicht einfacher geworden und auch hier sehen wir uns in der Verantwortung.
Macht Dir auf Dauer nicht das viele Reisen und die ständigen Flüge etwas aus?
Nein, ich bin sowieso sehr gerne in Kroatien. Für mich einfach eines der schönsten und vielseitigsten Länder auf der Welt. Ich mag Land, Leute, Essen, Klima, einfach alles. Es hat auch seinen besonderen Reiz, für Punktspiele in Städte zu reisen, in denen andere Leute Urlaub machen, wie Dubrovnik, Split, Zadar, Rijeka oder Pula. Dazu als Kontrastprogramm die Hauptstadt-Metropole Zagreb, ebenfalls sehr reizvoll, genauso wie die vielen Wälder und Berge rund um Varazdin.
In Deutschland musste ich sechs Jahre lang immer 1,5 bis 2 Stunden nach Würzburg fahren und dann vier Jahre lang immer 2,5 bis 3 Stunden nach Saarbrücken. Klar die beiden Jahre in Plüderhausen und Böblingen waren vor meiner Haustüre, aber auch die Anreise nach Kroatien ist für mich sehr angenehm. Ich bin in 10 Minuten am Flughafen Stuttgart und fliege dann rund 1 Stunde nach Zagreb. Ich kann sowohl von Wendlingen (Stuttgart), als auch von Kroatien aus, meinen sonstigen Tätigkeiten nachgehen, letztendlich benötige ich ja nur Internet und Telefon. Die Reisezeit nach Kroatien ist so kurz, dass ich zur Not auch mal nur für 2-3 Tage runter fliegen kann, wenn z.B. ein Sponsorentermin ansteht. Länger als 2-3 Wochen am Stück bin ich nur selten dort, hauptsächlich zur Playoffzeit. Die typische Aufenthaltsdauer in normalen Wochen ist Hinflug Freitag vormittags, Rückflug Mittwoch nachmittags.
Wie beurteilst du die Bedingungen in Varazdin?
Die Bedingungen in unserem Club sind sehr gut. Wir haben eine eigene Fulltime-Trainingsgruppe, die zweimal täglich trainiert, haben starke Sparringspartner aus Europa, teilweise auch aus Japan, China und Korea. Darüber hinaus haben wir viele internationale Anfragen, z.B. aus Indien, Ägypten, aber auch exotischeren TT-Ländern wir Saudi Arabien und Bahrain, die gerne bei uns trainieren wollen und die wir zu verschiedenen Zeiten in unsere Trainingsmaßnahmen einbauen. Die Infrastruktur in Varazdin ist optimal, sogar besser als ich es in der deutschen Bundesliga erlebte. Wir können täglich in der Varazdin Arena mit ihren Haupt- und Nebenhallen trainieren, eine der modernsten Sport- und Eventhallen in Europa, vergleichbar mit der ebenfalls von der deutschen Firma Max Bögl gebauten Ratiopharm Arena in Ulm. Wir haben weitere Hallen zur Verfügung, u.a. in der Lifeclass Terme Sveti Martin, wo wir auch ideale Bedingungen für Wellness und Regeneration haben. Die medizinische Betreuung ist enorm gut, die Fitness-Studio Situation ideal und wir haben wahrscheinlich einen der besten Physios überhaupt, der 10 Jahre lang beim AC Mailand Ronaldinho, Schewtschenko, Inzaghi, Maldini & Co. betreute. Innerhalb unseres Clubs ist auch alles sehr angenehm, ich verstehe mich mit allen super und die Zusammenarbeit ist toll. Ich werde sehr gut unterstützt, meine Wünsche und Erwartungen werden vollumfänglich respektiert und wir haben hier eine gute Mischung von Professionalität, klaren Strukturen und einer gewissen Flexibilität.
Ich arbeite auch sehr gerne mit Ronald Redjep zusammen, der bereits in Zagreb in meinem Team war und der mich aus der deutschen Bundesliga wieder zurück nach Kroatien lockte. Ich denke, dass wir gemeinsam noch einiges erreichen und entwickeln können, sind aber natürlich auch bis zu einem gewissen Punkt von der städtischen und regionalen Sportförderung und Sponsoren abhängig. Hier kommt auch mein derzeit einziger Kritikpunkt. In Kroatien ist die Sportförderung gesetzlich verankert und öffentlich einsehbar und wenn ich dann sehe, dass unser größter nationaler Konkurrent Dubrovnik insgesamt pro Jahr rund 80.000 Euro Fördergelder bekommt und damit 5-6 Mal so viel wie wir, dann ist es an der Zeit, in Varazdin eine angemessene Förderung und vor allem Transparenz einzufordern.
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