Di, 26. November 2024
spot_img
StartNews-ArchivTTBL: TTC OE Bad Homburg kämpft um Erstliga-Etat

TTBL: TTC OE Bad Homburg kämpft um Erstliga-Etat

Sportlich hat sich der TTC OE Bad Homburg als Zweitliga-Meister für den Aufstieg in die Tischtennis-Bundesliga qualifiziert, steht nun aber vor immensen wirtschaftlichen Herausforderungen und ist auf der Suche nach weiteren Geldquellen. Viel Zeit hat man nicht und die derzeit alles überschattende Corona-Krise macht das Unterfangen nicht einfacher.

Sportlicher Aufstieg auch bei regulärem Saisonabschluss fast sicher

Der lange gehegte Traum vom sportlichen Aufstieg in die Tischtennis-Bundesliga erfüllte sich für den Profiklub vor den Toren Frankfurts zügiger als gedacht. Da der DTTB die Corona-Notbremse gezogen und den Spielbetrieb in sämtlichen ihm unterstehenden Ligen für beendet erklärt hat, war auch die Meisterschaftsrunde im Unterhaus vorzeitig abgeschlossen.

Vier Spieltage vor dem ursprünglichen Ende der Spielzeit waren dem Spitzenreiter aus dem Hochtaunuskreis somit Titel und Aufstieg nicht mehr zu nehmen. Mit 22:6 Punkten schloss man die Runde auf der Spitzenposition ab und wäre natürlich noch vom FSV Mainz 05 (20:8) einzuholen gewesen, zumal man noch bei den 05ern anzutreten gehabt hätte, mit denen man sich in der Vorrunde beim 4:6 mehr als schwergetan hatte. Vom Tabellendritten TTC GW Bad Hamm (17:11) wäre man aber nur noch theoretisch zu gefährden gewesen – die junge Bad Homburger Truppe war einfach zu stark besetzt, um noch einen Fünf-Punkte-Vorsprung aus der Hand zu geben.

Platz zwei hätte ja bereits zum direkten Aufstieg für den einzigen Bewerber aus der 2. Bundesliga gereicht. Und den hätte der frühere TTC Ober-Erlenbach, ursprünglich ein Dorfklub, der nach und nach mächtig aufgerüstet und dabei doch nie das Augenmaß verloren hat, gewiss nicht mehr aus der Hand gegeben.

TTC OE macht Nägel mit Köpfen, muss aber noch 80.000 Euro akquirieren

Und in die deutsche Eliteliga wollte man schon seit Jahren, nur war es bisher immer an den fehlenden Finanzmitteln gescheitert. Diesmal redete man indes nicht nur von der hehren Absicht, sondern machte Nägel mit Köpfen und bewarb sich offiziell. Der Verein, bekannt für nüchterne, solide und nicht unbedingt risikofreudige Kalkulationen, scheute diesmal ein gewisses Risiko nicht – der Sprung in die TTBL ist für einen Zweitligisten stets ein Sprung ins Ungewisse, nicht zuletzt in finanzieller Hinsicht.

Man war optimistisch, die für eine konkurrenzfähige Erstligatruppe erforderliche Mindestsumme von 200.000 Euro stemmen zu können – circa 120.000 Euro mehr als für die bisherige Zweitliga-Topmannschaft aufzuwenden war. Doch nach letztem Stand waren erst etwas über 60 Prozent der nötigen Gesamtsumme gedeckt. Nun hat man noch bis Ende April Zeit, die restlichen knapp 80.000 Euro aufzutreiben – und das ist selbst in Bad Homburg, eine der reichsten Städte Deutschlands mit hohen Gewerbesteuereinnahmen infolge der reichen Präsenz großer und potenter mittelständischer Firmen und Betriebe, kein leichtes Unterfangen.

Gerade angesichts der Corona-Pandemie mit ihrem unsicheren Ausgang für viele Wirtschaftsbetriebe überlegen es sich viele Unternehmen zurzeit dreimal, ob sie Geld in eine Randsportart – und als solche gilt das Profitischtennis leider noch immer – investieren sollen.

Auch wenn ein Tischtennis-Bundesligist nicht bloß ein Alleinstellungsmerkmal für die Stadt sondern für das gesamte Rhein-Main-Gebiet sowie Mittel- und Südhessen wäre, wobei man im Süden des Bundeslandes mit dem TSV Langstadt immerhin einen Damen-Bundesligisten vorzuweisen hat, der überdies den besten Zuschauerzuspruch in der gesamten Liga für sich reklamieren kann. Osthessen und im Wesentlichen auch Nordhessen wären dagegen durch den TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell abgedeckt.

Hessen soll wieder „Derbyland“ werden

Eine im Übrigen reizvolle Konstellation, zumal es wieder Hessenderbys geben würde. Wie zuletzt vor zehn Jahren, als die TG Hanau den Sprung ins Oberhaus gewagt hatte, doch nach drei Spielzeiten ihr immer besser werdendes Team – damals mit Spielern wie Patrick Franziska, Steffen Mengel und Ruwen Filus – aufgrund schwer nachzuvollziehender finanzieller Erwägungen eines mit Tischtennis überforderten Managements, das sich besser mit Basketball auskannte, wieder aus dem Rennen nahm.

Zuvor hatte man ja die glorreichen Zeiten des zweimaligen Champions-League-Siegers TTV Gönnern von Mitte der 90er-Jahre bis 2009 erlebt – mit Top-Ass Timo Boll und Routinier Jörg Roßkopf -, der lange ganz klar Hessens Nummer eins vor Maberzell war. Der Verfasser erinnert sich zudem gut an die späten 70er- und 80er-Jahre, als mit dem TTC Heusenstamm mit Jürgen Rebel, dem TTC Mörfelden mit Helmut Hampl und Eintracht Frankfurt mit Klaus Schmittinger zeitweise gleich drei Erstligisten im Umkreis von 25 Kilometern um die Mainmetropole für Furore sorgten.

Enorme Herausforderungen in den 14 Tagen nach Ostern

Der TTC OE Bad Homburg möchte jedenfalls die Region wieder zur Tischtennis-Hochburg machen und versucht alles Menschenmögliche, die erforderlichen Gelder an Land zu ziehen.

TTC-Sportchef Sven Rehde bezeichnete vor Kurzem im Sender HR3 die Entscheidung des Verbandes zum Saisonabbruch zwar als „richtig“ – ihn und seinen Verein stellt das Thema TTBL indes vor enorme Herausforderungen. Hätte man die Saison regulär zu Ende spielen können, hätten sich weitere Gelegenheiten zur Sponsoren-Akquise ergeben.

So muss man aber Geldgeber gewinnen, ohne ihnen das konkrete Produkt, sozusagen die Gegenleistung, überhaupt vorführen zu können. Hinzu kommt die momentane Ungewissheit, wann überhaupt wieder Bundesliga-Tischtennis gespielt werden kann und ob nicht vielleicht zu Anfang der neuen Saison „Geisterspiele“ ausgetragen werden müssen – im Übrigen eine fürchterliche Vorstellung gerade in Bezug auf unseren Sport, dessen Attraktivität gerade auf der Nähe der Fans zu den Profisportlern basiert.

Die Kurstädter müssen dem Wirtschaftsprüfer der TTBL in den nächsten gut 14 Tagen die Etatmittel nachweisen, um ausreichende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit testiert zu bekommen und den Aufstieg tatsächlich perfekt zu machen. Die Frist wurde von der TTBL Sport GmbH bereits verlängert angesichts der schwierigen allgemeinen Situation, in der selbst bestens etablierte Topklubs wie Borussia Düsseldorf, wie von uns berichtet, ums Überleben kämpfen.

Crowdfunding als Hoffnung und Chance

Ein Crowdfunding-Projekt, das der TTC bereits Ende Februar parallel zur Lizenzbewerbung gestartet hatte, soll weiteres Geld für das Abenteuer 1. Liga in die Kasse spülen. „Wir haben Sponsoren, die uns über Jahre hin die Treue halten und jetzt auch eine höhere Summe zahlen“, berichtet der Sportliche Leiter. Das Crowdfunding, bei dem Beträge zwischen 50 und 1.500 Euro gespendet werden können und das im Höchstfall mit VIP-Karten für die kommende Saison honoriert wird, hat bislang 20 Prozent der anvisierten Summe erbracht.

Ambitioniertes junges Team ohne Erstligareife: Alles hängt von der neuen Nummer 1 ab

Mit Rares Sipos, Nils Hohmeier und Lev Katsman sind drei Akteure aus der Meistermannschaft an Bord geblieben und freuen sich auf Europas Topliga.

Katsman, der in Ochsenhausen lebt und Student des dortigen Liebherr Masters College ist, ist vermutlich der beste und perspektivreichste Akteur dieses Trios, der nach seiner überragenden 21:2-Bilanz im Unterhaus – im Spitzenpaarkreuz ging der 18-jährige Russe zehnmal als Sieger vom Tisch und verlor lediglich ein Match – den Sprung in die TTBL fast zwingend vollziehen muss.

Hinzu kam mit seinem gleichaltrigen Landsmann Maxim Grebnev vom bisherigen Ligakonkurrenten Passau, mit dem Katsman auf internationaler Ebene seit einigen Jahren erfolgreich Doppel spielt und sogar Silber bei der letzten Jugend-WM errungen hat, ein weiterer talentierter Spieler für das Oberhaus dazu.

Bis dahin gewiss eine äußerst preisgünstige Truppe, da die jungen Spieler sich erst noch beweisen wollen und müssen und noch keine allzu hohen Summen aufrufen können.

Vier junge Akteure voller Tatendrang – das liest sich gut, dennoch muss man klipp und klar sagen, dass dieses Quartett in der TTBL lediglich Kanonenfutter wäre, da zwischen 2. und 1. Liga im Leistungsniveau Welten liegen. Um es knallhart zu formulieren: Diese vier Spieler würden den Fans – man hofft auf 400 im Schnitt im Ober-Erlenbacher „Wingert Dome“ – manches schön anzusehende Match bieten und die Runde dennoch mit 0:44 Punkten auf Platz 12 abschließen.

Folglich muss, will man nicht wie Jülich von einer Klatsche zur nächsten eilen, eine klare Nummer eins, ein spielstarker Leitwolf her, der das Niveau der Topliga bereits besitzt und nicht erst noch in die Aufgabe hineinwachsen muss. Und solche Spieler sind bekanntlich nicht für ein Trinkgeld zu haben. Man weiß in Bad Homburg nur zu gut, dass von der künftigen Nummer eins eine Menge abhängen wird. In Verhandlungen steht man dem Vernehmen nach seit einiger Zeit mit einem Wunschkandidaten. Dieser müsste im Übrigen besser als der bisherige Spitzenspieler Harmeet Desai sein, der sicher als Nummer drei oder vier erstligatauglich wäre, jedoch nicht als Nummer eins. Da man offenbar keine Anstalten machte, den Vertrag des Inders trotz einer guten Saison im Unterhaus zu verlängern, könnte es auf die Verpflichtung eines Nichteuropäers hinauslaufen, für den somit eine Position frei geworden ist.

Kann Bad Homburg die schwierige Situation meistern?

Man darf gespannt sein, wie der TTC OE die anstehenden Herausforderungen personeller und vor allem finanzieller Natur lösen wird – dass die stets tatkräftigen und einfallsreichen Bad Homburg „Macher“ eine Lösung finden werden, hält der Verfasser aufgrund seiner Kenntnis des Klubs, seines Managements und seines Umfelds für nicht unwahrscheinlich.

Doch ohne Geld geht natürlich nichts und man kann nur hoffen, dass es gelingt, in der recht kurzen verbleibenden Zeit noch den einen oder anderen Geldgeber an Land zu ziehen sowie dass das Crowdfunding-Projekt auf der Zielgeraden nochmals richtig Fahrt aufnimmt.

Nicht zuletzt im Interesse der Liga, die natürlich in voller Sollstärke, also mit zwölf Teams, deutlich interessanter ist als lediglich mit elf Teilnehmern. Zudem bringen die Kurstädter einige Merkmale mit, die sie zur echten Bereicherung der TTBL werden lassen könnten. Man darf gespannt sein. 

Zur Webseite des TTC OE Bad Homburg

 

Teaserbild (oben): Europäisches Toptalent in Reihen des TTC OE: Lev Katsman. 

Text & Fotos (2): Dr. Stephan Roscher

Verwandte Artikel

Meist gelesene

Must Read